Schnecke 119

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9. Januar 2022

Hospitation trotz Visa-Hürden

Die beiden HNO-Ärztinnen Akylai Kargabaeva und Shirin Zhumabaeva kommen aus Kirgisistan. Sie konnten Krankenhaushospitationen in Deutschland und Österreich machen, obwohl wegen der Corona-Pandemie verschärfte Einreisebestimmungen galten. Ein CI-Hersteller half dabei.

Die Beschaffung der erforderlichen Visa stellte eine Hürde dar, mit der wir nicht gerechnet hatten. Eine Einladung seitens des KMG Klinikums Güstrow zu Fortbildungszwecken reichte nicht aus: Wegen Covid 19 waren die Vorschriften geändert worden. Auch der Hinweis, dass das KMG Klinikum, das National Center of Maternity and Childhood Care, Bishkek, und die Lehnhardt Stiftung im Rahmen eines von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) geförderten Projektes „Klinikpartnerschaften“ zusammenarbeiten und beiden Ärztinnen in diesem Rahmen in Güstrow hospitieren sollten, half nicht. In einem persönlichen Telefonat mit einem hilfsbereiten Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Bishkek konnte ich klären, dass der Zweck dieser Reise einen geschäftlichen Hintergrund haben musste. Mit Unterstützung des Geschäftsführers der Firma Med-El Deutschland gelang es, buchstäblich am letzten Tag vor der geplanten Abreise die Visa zu erhalten.

  

Start mit Stress

Für die beiden jungen HNO-Ärztinnen Akylai Kargabaeva und Shirin Zhumabaeva bedeutete dieser Umstand schon ein erhebliches Ausmaß an Stress. Turkish Airlines brachte sie am 18. September über Istanbul nach Berlin, wo sie von Dr. Iryna Driamina, einer ukrainischen HNO-Fachärztin aus dem Team von Prof. Dr. Tino Just, abgeholt wurde. Das war ür die beiden schon sehr beruhigend, kannten sie Dr. Driamina doch schon von unserem Aufenthalt in Bishkek im Dezember 2020 (s. Schnecke 112). Damals waren Prof. Just, Dr. Driamina und ich nach Bishkek gereist, um zehn kirgisische Kinder mit einem CI zu versorgen. Müde, aber zugleich gespannt und glücklich trafen Akylai und Shirin am selben Abend in Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern ein.

Straffes Programm

Gleich am Montagmorgen sollte dann ein sehr straffes Programm am Klinikum beginnen. Das KMG Klinikum versorgt schon seit 2015 ausländische, hörgeschädigte Kinder in enger Zusammenarbeit mit der Lehnhardt Stiftung. Unser gemeinsames, langfristiges Ziel ist es, kirgisische Fachkräfte (Ärzte, Audiologen und Therapeuten) so auszubilden, dass sie in Zukunft eine kompetente Früherkennung etwaiger Hörstörungen kurz nach der Geburt des Kindes und eine zeitnahe Versorgung und Langzeitbetreuung in Kirgisistan sicherstellen können.

Ohr-Operationen beobachtet

Die beiden Ärztinnen hatten während ihres mehr als zweiwöchigen Aufenthalts die Möglichkeit, zahlreiche Ohr-Operationen in den modernen OP-Sälen des KMG Klinikums zu beobachten. Sie konnten aber auch am Kunststoff-Felsenbein praktische Übungen vornehmen. Gespräche mit Radiologen und Mitarbeitern der Sterilisation erweiterten den Horizont. Dr. Dörte Fischer, Leiterin der Abteilung Audiologie, schulte die beiden intensiv in der Anwendung audiologischer Untersuchungsmethoden und in der Auswertung hördiagnostischer Befunde. Zum Ausbildungsprogramm gehörte auch der Einblick in den Ablauf der Operationsplanung mit der Auswahl der Implantate, die radiologische Diagnostik vor und nach der Cochlea- Implantation, die Erstanpassung des Sprachprozessors sowie die Nachkontrolle.

Prof. Dr. Tino Just gab während unseres Aufenthalts in Güstrow zu Protokoll: „Der operative Eingriff ist der einfachste Schritt auf dem Weg, die Kinder in die Welt des Hörens zu holen. Die Nachsorge, die technische, postoperative Einstellung des Sprachprozessors und das Training mit den Kindern ist der wesentliche Teil der Arbeit. Daher freue ich mich sehr, dass wir den kirgisischen Kolleginnen in Güstrow die Möglichkeit geben können, diesen umfassenden Prozess zu erlernen. Es ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit, dieses Know-how in die Länder zu bringen, so dass sie unabhängig von uns agieren und den Kindern vor Ort helfen können.“

Daher hatten Akylai und Shirin auch die Möglichkeit zu sehen, wie Kinder bereits im Kindergarten und in der Schule des Landesförderzentrums „Schwerpunkt Hören“ unterrichtet werden. Am Cochlea-Implant-Zentrum, das den Namen „Lehnhardt“ trägt, konnten sie sich mit der Organisation der Hörrehabilitation vertraut machen. Gegen Ende dieser zweiwöchigen Hospitation reisten mein Mann und ich nach Güstrow, nicht nur um uns einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, sondern auch um Akylai und Shirin von Güstrow nach Hamburg zu bringen und von dort per Flug nach Wien und wieder per Auto an die Universitätsklinik in St. Pölten.

Drei Tage St. Pölten

Für die nur noch drei Tage bis zum Ablauf der Visa verfügbaren Tage hatten sich Doz. Dr. Astrid Magele und Phillip Schörg ebenfalls ein umfassendes und anspruchsvolles Programm überlegt. Alle Aspekte der Versorgung hochgradig schwerhöriger und tauber Kinder wurden behandelt – vom neonatalen Hörscreening über die Indikationsstellung zum CI, die Auswahl des Implantat-Modells und der OP-Techniken bis zur Anpassung des Sprachprozessors und der Rehabilitation inklusive Musiktherapie. Freizeit war sehr knapp bemessen, erlaubte es aber zumindest an einem Wochenende Berlin und an einem Wien zu besuchen. So bekamen Akylai und Shirin einen kleinen Eindruck von diesen beiden Städten bevor sie am 10. Oktober in ihre Heimatstadt Bishkek abflogen.

Weitere Hospitanzen

Sie waren die ersten von insgesamt sechs Fachfrauen, die im Rahmen unseres Kooperationsprojekts nach Deutschland und Österreich kommen können. Wir erwarten zwei Therapeutinnen im März, die an das CIC in Friedberg gehen und dort sicherlich von Yvonne Seebens hervorragend betreut werden. Zwei weitere Ärztinnen planen im Mai an das KMG Klinikum Güstrow zu kommen, und Prof. Dr. Tino Just und sein Team haben auch für sie schon ein ähnlich anspruchsvolles Ausbildungsprogramm vorbereitet. Wir alle haben als gemeinsames Ziel vor Augen: den Aufbau eines umfassenden Programms zur Versorgung tauber Kinder, das von kirgisischen Ärzten, Audiologen und Therapeutenvor Ort bestritten werden kann.

Text: Dr. Monika Lehnhardt-Goriany, Vorsitzende und Mitgründerin der Lehnhardt Stiftung, Fotos: Lehnhardt Stiftung

Dieser Artikel erschien in der Schnecke 114/Dezember 2021.


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