01. September 2017

Zu dieser Fortbildungsmaßnahme hatte Med-el am 21./22. Juli 2017 ins Landhotel Am Rothenberg in Uslar-Volpriehausen eingeladen.

Gespannt war ich, was uns erwartet. Es war mein erster Workshop als CI-Träger (rechts Dezember 2012 Opus2, links Dezember 2015 Sonnet, davor 25 Jahre Hörgeräte). Unsere Unterkunft, das Landhotel Am Rothenberg, ist ein sehr gemütliches, heimeliges Hotel, in dem man sich auf Anhieb wohlfühlte. Wir waren 65 Teilnehmer aus 43 Selbsthilfegruppen, CI-Verbänden und DSB-Vereinen aus ganz Deutschland. Am Donnerstagabend, am Anreisetag, war Treffpunkt im Gasthaus des Hotels. Hier gab es erst einmal ein großes Hallo und eifriges Miteinander. Kennt man doch mittlerweile den einen oder anderen von den Veranstaltungen der DCIG oder des DSB, aber auch von den übergreifenden Treffs oder Veranstaltungen innerhalb der Selbsthilfe. Hier wurden bis in den späten Abend viele Gespräche geführt. Man diskutierte und lachte miteinander, ohne dass es all zu spät wurde. Ging es doch schon am Freitagmorgen um 8.30 Uhr mit einem straff gestrickten Programm los.

Ab Freitagmorgen hieß es dann: Zuhören bis das CI glüht
Die Begrüßung, Erläuterung über den Ablauf des Workshops sowie Vorstellung der Referenten erfolgte durch Anita Zeitler, der Organisatorin des Workshops. Es folgte eine Vorstellung des Unternehmens Med-el durch Sven Diehl. Ein kurzer Rückblick zu den Anfängen mit 10 Mitarbeitern vor 30 Jahren, mit Blick auf die einzelnen Entwicklungsschritte der Implantat- und Prozessor-Technologie bis zu dem weltweit mit ca. 1.800 Mitarbeitern agierenden Unternehmen und dem Entwicklungsstand von heute. Mit dem Med-el-Synchrony-System brachte uns Johanna Weigel, selbst beidseitig mit CI-implantiert, das derzeit fortschrittlichste CI-Implantat-System Synchrony, mit den Prozessoren Sonnet und Rondo, aus dem Haus Med-el näher. Durch einen drehbaren, sich selbst ausrichtenden Magneten ist eine MRT-Untersuchung bis drei Teslar ohne Entfernung des Magneten möglich. Verschiedene Elektrodenträger, geeignet für viele anatomische Variationen der Cochlea, aber auch unterschiedliche Längen zum Erhalt des Restgehörs, um hier den Tieftonbereich akustisch verstärken zu können (EAS-System), sind herausstechende Merkmale dieses zur Zeit modernsten CI-Systems.

Um die Anpassung von Cochlea-Implantaten ging es anschließend in dem Vortrag von Tobias Einberger. Bei der CI-Anpassung, dem wohl wichtigsten Bestandteil für anschließend gutes Verstehen, wird zusammen mit dem Audiologen durch Ausloten der Empfindlichkeit des lautesten und des leisesten Tones individuell für jeden CI-Träger seine persönliche Einstellung festgestellt und gespeichert. Innerhalb eines eng begrenzten Spielraums wird so der Prozessor mit unserer Hilfe optimiert. Je genauer ich mit meinem Audiologen kommuniziere, ihm meine Empfindungen mitteilen kann, umso besser kann mein Prozessor angepasst werden. Doch um ein gutes Sprachverständnis zu erlangen, Musik hören als Genuss zu empfinden, telefonieren zu können oder bei beidseitiger Implantation Richtungshören zu erlernen, reicht die Anpassung alleine nicht, sondern es gilt für jeden von uns mit Sprachlern- oder Musikprogrammen zu üben und so ständig den Wortschatz unseres Verstehens zu erweitern.



Benedikt Bernwieser stellte Vibrant Soundbridge und Bonebridge vor. Das sind Mittelohr- oder aktive Knochenleitungsimplantate für Personen, die mit konventionellen Versorgungsmethoden (z. B. Hörgeräte) nicht bedient werden können. Hierbei handelt es sich um Implantate, bei denen die Stimulation des Innenohrs durch mechanische Schwingungen erzeugt wird, im Gegensatz zum CI, bei dem es eine elektrische Stimulation über die Elektrode ist. Hierbei kann die Einstellung, anders als beim CI, wie bei einem Hörgerät über ein Audiogramm erfolgen.

Nach einer Pause ging es am Nachmittag für die Med-el-Träger in Gruppenarbeit weiter, um die Handhabung der einzelnen Med-el-Systeme kennenzulernen. Batteriewechsel, Filter wechseln, FM-Anlage anbauen oder den Prozessor gar ganz auseinander und wieder zusammenzubauen, für den einen oder anderen nicht so einfach, deshalb lieber bei Unsicherheit in die Klinik zum Audiologen oder in eines der 10 Med-el-Care-Center und sich hier helfen lassen.

Mit Hilfsmitteln überbrücke ich Entfernungen, kann klar und deutlich hören. Sie können Gesprächen in der Familie, einem größeren Gesprächskreis, in Schulen, bei Besprechungen oder Vorträgen entspannt zuhören. Aber auch Fernsehgeräte, Audioanlagen oder Smartphones kann man mit dem CI oder Hörgerät verbinden, um deutlicher zu hören. Über das Thema „Kostenzusage für eine drahtlose Kommunikationsanlage“ referierte Franz Boob aus Pforzheim. Er gab uns wichtige Tipps und Hinweise zur Beantragung einer solchen Anlage. Denn seit Dezember 2015 beinhalten die Hilfsmittelrichtlinien auch Übertragungsanlagen, doch wer von uns kennt sich schon in der bestehenden Rechtslage aus? Wie hoch muss mein Grad der Behinderung sein? Welche Dokumentationen muss ich beilegen, wie sollte die Form des Anschreibens sein?

Mit den Workshop-Unterlagen bekommen wir den gesamten Vortrag sowie Muster der Anschreiben mit allen Paragrafen und Hinweisen in digitaler Form zugeschickt. Eine tolle und wertvolle Unterstützung für uns in der Selbsthilfe. Ein großes Dankeschön an Franz Boob.

Hilfsmittel für jeden Bereich
Man konnte sich am Infostand von Med-el über Neuheiten sowie Zubehör aus deren Haus beraten lassen. Von Anita Zeitler bei der Begrüßung schon vorgestellt und mit Infoständen in der Tagungshalle vertreten, waren die Firma Phonak mit ihrem Roger FM-System, die Firma Humantechnik mit Assistenzsystemen wie Hörschlingen fürs Fernsehen und Telefonieren sowie Lichtsignalanlagen der Firma Bellman & Symfon mit Lichtsignalsystem, Sensoren, gekoppelt mit Magnetschaltern, Alarmtrittmatten, die in der Wohnung oder im ganzen Haus vernetzbar sind.

Während der Pausen konnte man sich hier schon sehr detailliert über die einzelnen Systeme informieren. Die Vertreter der Firmen standen stets mit Rat und Tat zur Seite. Und man konnte die Systeme auch testen. In dem Vortrag von Matthias Jöde, Phonak, ging es um das Thema Med-el und die Phonak-Roger-Technologie „Sprachverstehen in jeder Alltagssituation“ mit den verschiedenen Roger-Mikrofonen. Er gab uns einen Einblick über deren Einsatz in verschiedenen Hörsituationen (Gesellschaft, Schule, Konferenz oder Seminar) und die Übertragung, den Empfang via Funk oder Teleschlinge.

Im Seminarraum war eine Soundfield-Anlage von Phonak installiert. Nach Bedarf konnte man über den zur Verfügung gestellten My Link via Telespule hören – ein sehr angenehmes und entspanntes Hören. Assistenzsysteme für Menschen mit Hörproblemen brachte uns Peter Kroel, Humantechnik, näher. Die drahtlose Lichtsignalanlage LISA mit zwei Übertragungsarten, Funk oder über den Stromkreis, das Funksignalsystem SIGNOLUX, digitale sowie analoge Wecksysteme in Kombination mit Signal-Modulen und verschiedene Kommunikationssysteme wie Telefone, TV-Hörsysteme und Bluetooth-Headsets gehören zu dem ausgewogenen Programm von Humantechnik.

Jeder dieser sehr kurzweiligen Vorträge am ersten Tag war begleitet von lebhaften Diskussionen, sodass wir erst kurz vor 19.00 Uhr nach einer abenteuerlichen Busfahrt durch Volpriehausen zu einem gemütlichen Grillabend in einer Köhlerhütte ankamen. Wer wollte, konnte sich dort beim Bogenschießen beteiligen und mit gut gefülltem Magen, ein paar Getränken noch etwas über den Tag philosophieren. Nach einem gemütlichen Plausch ging der erste Tag zu Ende.

Der Samstagmorgen begann mit Tobias Fricke aus dem Haus Bellman & Symfon. „Ihr Zuhause hören“ lautete sein Vortrag. Durch Anschlusszubehör wie z. B. Alarmtrittmatte, Magnetschalter an Tür oder Fenster, Rauchmelder mit zwei Sensoren, optisch und thermal, lässt sich das System VISIT bestens ausstatten. Dieses System erkennt Festnetz- und Mobiltelefon sowie Tablet-PCs und meldet ankommende Anrufe oder Nachrichten. Eine Türklingelerkennung erfasst alle Arten von Türklingeln und benachrichtigt entsprechend. Babyphone, Personenruf oder Brandschutz können in diesem System integriert, im ganzen Haus oder in der Wohnung vernetzt und von überall wahrgenommen werden.

Den Servicebereich bei Med-el, wer ist für was zuständig, stellte uns Anita Zeitler vor. Dieser Bereich betreut CI-Träger und Kunden direkt durch kompetenten sowie effektiven Support und berät bei technischen Fragen. Störungen am CI-System werden durch gezielte Fragen und Hilfestellungen beseitigt. Er liefert Austauschkomponenten vorab innerhalb von 24 Stunden und speichert Fitting-Daten der CI-Träger in einer speziellen Servicedatenbank ab. Deshalb ist es enorm wichtig für uns, dass die einstellenden Audiologen die jeweils aktuellen Prozessordaten an Med-el senden. Auch über Live-Chat können Bestellungen und Anfragen in Echtzeit erledigt werden.

Hörtraining als wichtiger Bestandteil der CI-Versorgung. Ziel des Hörtrainings ist die Sensibilisierung auf das neue Hörerlebnis. Nur durch ständiges Hörtraining kann ich meinen Wortschatz innerhalb des Sprachverstehens erweitern. Regelmäßiges Training, täglich 15 bis 30 Minuten je nach Konzentrationsmöglichkeit, erfordert viel Motivation, Geduld und Ausdauer. Corinna Schaar gab uns hierzu Tipps und Anregungen aus dem Haus Med-el. Mit dem Rehabilitationsprogramm BRIDGE bietet Med-el verschiedene Programme für CI-Träger an. 6 Hör-CDs umfasst die Reihe „Listen UP“. Über Basis-, Einsteiger- bis zu Fortgeschrittenen- und Hörkreuzworträtseltraining. Das 6-teilige Trainingsprogramm ist auch über den Google-Play- & iOS-Store als App erhältlich. Mit „Hear at Home Unterstützung für zu hause“ und „Hear at Home Telefontraining“ wird diese Reihe ergänzt.

Die vorgestellten Materialien sollen keine Therapie ersetzen.
Vorteile der bilateralen Versorgung. Sie ist mehr als die Summe des Schalls von zwei Seiten. Es ist vielmehr ein großer Schritt Richtung natürliches Hören. Das berichtet Arnold Erdsiek, selbst mit 2 CIs versorgt, aus eigener Erfahrung. Erst durch die beidseitige Versorgung ist Richtungshören, räumliches Hören sowie das Trennen von Geräusch und Sprache möglich. Mit 2 CIs klingt alles voller und klarer, auch Musik wird mit beiden CIs von den meisten bilateral versorgten Nutzern als schöner empfunden und gern gehört. Richtungshören entwickelt sich, doch es erfordert ein permanentes Trainieren/Üben und kann einige Zeit bis zum gewünschten Erfolg dauern.

Auf häufig gestellte Fragen gab Johanna Weigel noch einmal Antworten zu den wichtigsten Themen rund um das CI. Röntgen- und CT-Untersuchungen sind jederzeit möglich. Bei MRT-Kernspin-Tomografie immer Rückfrage mit der operierenden Klinik. Diagnostischer/Therapeutischer Ultraschall, im Kopfbereich – nein, am Körper einschließlich Hals und Nacken – ja.

Benedikt Bernwieser berichtete anschließend in einer Zusammenfassung über die  Neuigkeiten bei Med-el. Produktupdate für „Baby Wear“, neue Active Wear für Sonnet in bunten Designs sowie DL-Spulenabdeckungen individuell nach jedem Geschmack. ADHEAR ein neues Knochenleitungssystem und schließlich noch die neue Internetplattform Med-el Academy, eine Informationsplattform auch als App für Android und iOS erhältlich. Zum Schluss der Veranstaltung war noch einmal Zeit für weitere Fragen und Diskussionen, bevor uns Anita Zeitler verabschiedete.



Alles in allem war es eine wirklich gelungene Fortbildungsmaßnahme. Ein plattformübergreifender Workshop für CI- und Hörgeräteträger, mit vielen Informationen, gerade auch für Hörgeräteträger, die vor der Entscheidung für ein CI stehen. In den Pausen standen die Referenten und Firmenvertreter für Gespräche zur Verfügung, was auch reichlich genutzt wurde, hat man doch nicht alle Tage die Gelegenheit, solche Informationen aus erster Hand zu bekommen.

Unser Dank gilt dem Unternehmen Med-el für die Einladung und Ausrichtung dieses Workshops. Anita Zeitler für die hervorragende Organisation und Betreuung. Allen Referenten, Referentinnen und Firmenvertretern für die allzeit offenen Ohren und die Gesprächsbereitschaft. Doch nicht zu vergessen unsere beiden Schriftdolmetscherinnen, ich glaube, sie konnten schneller schreiben wie wir sprechen.

In diesem Sinne, vielleicht bis zum nächsten Mal.

Euer Heinz Diefenbach

PS: Ach, ich hab doch noch etwas, eine kleine Anekdote am Rande: Auf der Fahrt mit dem ICE von Frankfurt nach Göttingen, mein CI-Partner Ralf Weller und ich (beides Kurzhaarträger, also eine sehr dominante Tragweise der CIs) sitzen im Bistrobereich. Da kommt eine Dame mittleren Alters auf Ralf zu und bittet ihn, sich zu ihr zu setzen. Nein, nicht was Sie jetzt denken! Sie hat ein schwerhöriges Familienmitglied, das vor der Entscheidung zum CI steht und wollte sich informieren. Also hat Ralf sich über eine Stunde mit der Dame unterhalten, ihr ausführlich Rede und Antwort gestanden und von seinen Erfahrungen berichtet. So viel zum Thema Beratung in der Selbsthilfe, da hat sich die Fahrt doch schon gelohnt, oder?!