30. Friedberger Symposium 

Mit rund 200 Menschen war das 30. Friedberger Symposium auch dieses Jahr wieder hervorragend besucht. Und mit dem Jubiläum wurde auch deutlich. Das Symposium ist über Jahrzehnte ein absoluter Erfolg. Und das ist kein Zufall.

Das Friederberger Symposium hat einen festen Platz im Kalender. Die Veranstaltung weist einige Besonderheiten aus. Sie ist einerseits noch so klein, dass der Austausch zwischen CI-Trägern, Selbsthilfe, Therapie, Audiologie, Medizin und nicht zuletzt der Industrie problemlos funktioniert. Andererseits sind die Vorträge eine hervorragende Mischung aus allen Bereichen - vom persönlichen Erfahrungsbericht bis zu spezialisierten Fragen von der Cochlea-Implantation bei Schannomen des Innenohres und des inneren Gehörgangs oder bei Kindern mit Malformationen des Innenohrs

Gendenken an Professor Christoph von Ilberg

Seinen Ursprung hat das Friederberger Symposium, genauso wie das CIC-Rhein-Mein in den 1990er Jahren. Da das Symposium sehr schnell wuchs und die Unterbringung der Gäste in Friedberg schwierig ist, wurde es nach Bad Nauheim verlegt.

Maßgeblich für die Gründung war Professor Christoph von Ilberg, der im Mai dieses Jahres verstarb. Ilberg war Pionier der „Elektroakustischen Stimulation“. Er hat das Konzept, bei dem das Restgehör nach einer Cochela Implantation erhalten bleibt, bereits in den 1990er Jahren entwickelt. Im Jahr 2000 setzte er ein erstes Implantat. Seinem Team war er auch im Ruhestand sehr verbunden. Professor von Ilberg starb am 4. Mai 2025 im Alter von 90 Jahren. Seine letzten Wochen verbrachte er im Krankenhaus und hatte - typisch für ihn - immer noch viele Ideen. Seine Angehörigen schrieben zum Abschied: „Durch seine wunderbare nahbare und kommunikative Art wurde er daher bis zuletzt sehr fürsorglich, geradezu liebevoll gepflegt.“

Genthearpie und -diagnostik sind die Zukunft

Von den Anfängen bis zur Zukunft der CI-Versorgung: Professor Nicola Strenzke von der Universität Göttingen berichtete über die Möglichkeit und die Grenzen der Heilung von Taubheit durch eine Gentherapie des Innenohrs. Anlass sind die weltweit medial stark begleiteten Erfolge amerikanischer und chinesischer Wissenschaftler Anfang 2024. In Göttingen werden schon seit vielen Jahren an dem Gen geforscht, so die Wissenschaftlerin.

Die Otoferlin-Gentherapie sieht sie als medizinischen Durchbruch gewürdigt, ordnet ihn aber zugleich kritisch ein. Zwar zeigen bei ersten Studien bei 90 % der Kinder Verbesserungen, doch bleiben funktionelle Einschränkungen. Unklar ist auch, wie gut das Hören ist. So haben eigene Tierversuche gezeigt, dass taube Mäuse deutlich weniger Hörnerven und - fasern haben, als gesunde. Und: wichtig ist auch noch die Frage, wie gut das Otoferlin in die Zellen transportiert werden kann. Es handelt sich also um einen wichtigen, aber begrenzten Fortschritt.

Genetisch bedingte Hörstörungen

Die genetische Diagnostik wird zukünftig eine immer größere Rolle spielen, ist Professor Anke Lesinsiki-Schiedat überzeugt. Rund 30 bis 40 Prozent der CI-Patienten zeigen genetisch bedingte Hörbeeinträchtigungen. Genetische Faktoren spielen eine zentrale Rolle bei Innenohr-Hörstörungen. Es zeigen sich sehr unterschiedliche Verläufe, auch bei identischen Mutationen. Grundsätzlich gilt aber für alle Untersuchungen: Jede muss durch ärztliche Aufklärung begleitet und schriftlich eingewilligt werden.

Reha - der Weg in die Zukunft

Neue Reha-Formen und aktuelle Entwicklungen waren auch ein großer Themenblock auf dem Friedberger Symposium. Die Arbeitsgemeinschaft Cochlea Implantat Rehabilitation erarbeitet evidenzbasierten Leitprinzipien für die CI-Therapie. 20 Reha Zentren definieren Anforderungen an die Qualifikation von CI-Therapeut:innen und betonen die Notwendigkeit familienzentrierter, interdisziplinärer Betreuung. Im Fokus steht die Lautsprachförderung und soziale Teilhabe.

Ambulante Erwachsenentherapie als Ergänzung

Die ambulante CI-Folgetherapie ist eine alltagsnahe Erweiterung zur stationären Versorgung, stellt Maja Zenser vom CIC Friedberg fest.  Sie richtet sich besonders an Patientinnen und Patienten mit familiären oder beruflichen Verpflichtungen. Die Behandlungen erfolgen meist einmal wöchentlich und umfassen vielfältige Maßnahmen – vom Hörtraining bis zur psychologischen Begleitung. Allerdings betont Zenser, dass das Format keine stationäre Reha ersetzt. Es schließt Versorgungslücken und ergänzt bestehende Strukturen sinnvoll.

Das Bad Nauheimer CI-Rehakonzept

Bereits seit September 2024 ist die CI-Reha als Anschlussheilbehandlung, AHB, anerkannt. Inzwischen kommt etwa jeder zweite Patient nicht mehr zur klassischen Reha, sondern macht eine AHB. Bedingung für eine AHB ist, dass es ausdrücklich der Wunsch der Patienten ist, sie rehafägi sind und sie innerhalb von 14 Tagen nach der Operation beginnt. Sie startet, so Professor Stephan Hoch, mit mit individuell abgestimmten Maßnahmen: Hörtraining, Audiotherapie, psychologische Unterstützung und Sozialmedizin. Rund 20 Therapiestunden pro Woche und eine Aufenthaltsdauer von etwa 32 Tagen sichern eine umfassende Betreuung. Das Ziel ist eine nachhaltige Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben.

Chancen und Herausforderungen der Remote-CI-Nachsorge

Ein weiteres aktuelles Thema ist die digitale Nachsorge der Patienten. Alle Hersteller bieten inzwischen Programm an, mit denen Fernanpassungen möglich sind. In der Praxis bleiben die Möglichkeiten oft ungenutzt, stellt Professor Ana Kurz aus Würzburg klar, Menschen hätten auch Angst vor der neuen Technik, so ihre Erfahrung.In einer laufenden Studie am CHC Würzburg wird untersucht, wie wirksam und praktikabel digitale Anpassungen und Fernbetreuung in der CI-Nachsorge sind.Patienten und Patientinnen bevorzugen häufig weiterhin den persönlichen Kontakt. Überraschend ist, dass es keine Altersunterschiede in der Gruppenwahl gab – ältere Menschen sind nicht generell technikfern und lehnen die Remote-Nachsorge ab. Dennoch bremsen technische Schwierigkeiten, Unsicherheit und teils überzogene Erwartungen der Hersteller die Anwendung. Die Fernnachsorge bleibt eine Chance mit Entwicklungspotenzial.

(Markus Rinke)


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