15. Oktober 2021

„Alexa, starte Hörtest!“

Im Gesundheitswesen setzt sich die Digitalisierung zunehmend durch. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung beschleunigt. Am 15. und 16. Oktober 2021 ging es beim 23. Hannoverschen Cochlea-Implantat-Kongress ums digitale Hören. Durch die moderne Technik eröffnen sich für Patienten und Experten völlig neue Möglichkeiten.

„Die moderne Diagnostik ist digital!“, sagte Professor Thomas Lenarz, Direktor des Deutschen Hörzentrums und der HNO-Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), in seinem Einführungsvortrag beim CI-Kongress im Hotel Wyndham Hannover Atrium. Für Hörgeschädigte stehen eine gesicherte Hörversorgung und Hörrehabilitation im Vordergrund. Sicherheit bezieht sich dabei auf gezielte Diagnostik, einer Vorhersage des Hörerfolgs, aber auch eine Implantation mit geringen Risiken. Lenarz betonte: „Wir können heute die Innenohrflüssigkeit untersuchen, mittels künstlicher Intelligenz eine Big Data Analyse durchführen, bei Cochlea Implantationen roboterassistierte Chirurgie nutzen und Operationstechniken, die das Restgehör erhalten. Wir sind der Präzisionsmedizin ein ganzes Stück nähergekommen.“

Dr. Thomas Wiesener, Leiter des Bereichs Phoniatrie, Pädaudiologie und Logopädie am Werner-Otto-Institut gab einen Einblick zur „Bestimmung des Restgehörs bei Kleinkindern“ und Professor Andreas Büchner, wissenschaftlicher Leiter des Deutschen HörZentrums Hannover an der HNO-Klinik der MHH und im Exzellenzcluster Hearing4all, referierte zum Thema „Wie wirst Du hören – Prädiktion“. Mit dem zunehmenden technischen Fortschritt haben sich die Indikationsgrenzen für das CI in den letzten Jahren zunehmend in Richtung Resthörigkeit verschoben. Büchner stellte im Rahmen seines Vortrags die neuesten Ansätze zum Umgang mit den heutigen Indikationskriterien vor.

„Die Daten der App werden automatisiert in die Klinik übertragen.“

Besonders die Sprachaudiometrie ist bei der Diagnose eines Hörverlustes hilfreich. Jasper Ooster, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg im Bereich Medizinische Physik und im Exzellenzcluster Hearing4all, stellte unter dem Thema „Hören selbst testen“ eine selbst entwickelte Anwendung für einen Smart Speaker vor. Bei der CI-Versorgung führt laut Ooster die Kooperation mit der MHH nicht nur zu einer qualitativen Verbesserung. Die Patienten könnten mit der programmierten App auch die Implantate an ihre persönlichen Bedürfnisse anpassen und würden so zu Experten im Umgang mit ihrer Hörschädigung. „Die Selbstmessung ist in der Amazon-Alexa-Umgebung mit dem Befehl ‚Alexa, starte Hörtest‘ verfügbar“, berichtete Ooster, „Die Daten der App werden automatisiert in die Klinik übertragen.“ Mögliche Komplikationen könnten so frühzeitig erkannt und Reimplantationen vermieden werden.

„Eine präzise Diagnostik braucht Big Data!“

Immer leistungsfähigere CI-Prozessoren sowie der Einsatz künstlicher Intelligenz ermöglichen es Big Data im Sinne der Patienten zu nutzen. Je mehr über die individuellen Hör-Defizite bekannt ist, desto besser lassen sich Hörgeräte und CIs auf den jeweiligen Patienten einstellen. Der Oldenburger Hörforscher und Sprecher des Exzellenzclusters Hearing4all, Professor Birger Kollmeier, stellte in seinem Vortrag klar: „Eine präzise Diagnostik braucht Big Data!“ Kollmeier lieferte einen Einblick in die Arbeit des Exzellenzclusters: Aus der Klassifikation von ‚Small Data‘ mit wenigen Patienten wird durch eine entsprechend große Zahl von Patientendaten ‚Big Data‘. Audiologische Befunde lassen sich in CAFPAs, Common Audiological Functional Parameters, umsetzen. Dabei handelt es sich laut Kollmeier um klinikübergreifende Daten-Repräsentationen, die bei der Klassifizierung der Diagnose helfen und eine Behandlungsempfehlung unterstützen, die alle relevanten Daten automatisch berücksichtigt.

„Die Chirurgie ist wie das Wandern durch eine Stadt.“

Funktionsoberarzt Dr. Max Eike Timm stellte die „MyCI-App“ vor, die für Audiologen und Ärzte entwickelt wurde und eine Patienten-individualisierte Elektroden-Empfehlung für den CI-Hersteller Med-el ermöglicht. Es folgten verschiedene Beiträge zum Thema Cochlea-Implantation. Besonders stach die Live-OP mit Roboterassistenz von Dr. Rolf Salcher hervor, der den Bereich Innenohr an der MHH leitet. Er wurde direkt aus dem Operationssaal zugeschaltet und ließ die Kongressteilnehmer live an einer Implantation teilhaben. Zu sehen war eine rote Mittel- bzw. Innenohrlandschaft. Salcher begeistert dazu: „Die Chirurgie ist wie das Wandern durch eine Stadt.“

Eine gesicherte CI-Versorgung beinhaltet auch eine lebenslange Nachsorge. Dies veranschaulichten die Vorträge zu den Themen Telesprechstunde, Fernanpassung und digitale Hörtherapie. Des Weiteren wurde der digitale Unterricht mit Hörgeschädigten thematisiert und künftige Perspektiven rund um das CI, wie das Sichtbarmachen der Hörbahn, das CI und die Neuromodulation sowie Neuigkeiten zum optischen Implantat vorgestellt. Auch Vertreter der CI-Hersteller Advanced Bionics, Cochlear, Med-el und Oticon Medical gaben in ihren Vorträgen, unter anderem zum CI bei Hochtontaubheit und der Facialis-Stimulation einen Einblick in die CI-Versorgung. (nr)

Foto: Redaktion Schnecke

 

 


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