07. November 2017

Ein Blick in die Schweiz



In der Schweiz wurde das erste Cochlea Implantat schon 1977 eingesetzt. 3095 weitere Implantationen folgten bis heute. In einem nationalen CI-Register werden sie alle erfasst. Insofern ist die Schweiz dem großen Nachbarn voraus. In anderem hinkt sie hinterher.

Was die DCIG in Deutschland ist, ist pro audito für die (deutschsprachige) Schweiz. Beim CI-Forum am 4. November 2017 in Olten bot sich die Chance zum Vergleich der CI-Versorgung in den beiden Ländern.



Andere Finanzierungsregeln
Unterschiedlich geregelt ist vor allem die Finanzierung der CI-Versorgung. In der Schweiz kommt die allgemeine Krankenversicherung nur für die Operation und die Kosten des Implantats auf. Wer die Kosten des Prozessors, eventuell notwendiger Zusatzgeräte und der nötigen Hör-Therapie (Reha) trägt, das hängt vom Alter des Patienten ab.
Bei Kindern und Menschen im berufsfähigen Alter zahlt in der Schweiz die staatliche Invalidenversicherung. Sie kommt auch für Ersatzteile auf und verzichtet in der Regel sogar auf die Erhebung des eigentlich fälligen Eigenanteils von 400 Franken (CHF).

Wer (zu) spät ertaubt, hat Pech
Schlechter gestellt sind spät ertaubende Rentnerinnen und Rentner. Sofern sie nicht schon als Erwerbstätige ein Hörgerät oder ein CI bekommen haben, wird erstens nur eine einseitige Versorgung bewilligt und zweitens auch nur zu 75 % bezahlt. Zuständig ist für sie eine andere staatliche Kasse, nämlich die schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung. Kosten der Therapie/Reha übernimmt diese Versicherung überhaupt nicht. Ein klarer Mangel, wie der Züricher Audiologe Bernd Strauchmann klarstellte, denn: „Ohne Training und intensive Nutzung bringt das CI nicht viel.“


„Es braucht Training“
Das unterstrich auch Christof Röösli vom Unispital Zürich und Mitglied des pro audito-Zentralvorstands: „Es braucht Training, und je mehr man trainiert, umso steiler ist die Hörkurve.“ Röösli beantwortete die Frage, ob sich ein CI auch bei Menschen über 60 noch „lohnt“, im Blick auf die Erkenntnisse der Hirnforschung mit einem unzweideutigen Ja. Leider aber seien in der Schweiz nur fünf bis zehn Prozent der Menschen, denen ein CI helfen könne, auch tatsächlich mit einem CI versorgt. Dabei dürfte die Kostenregelung (siehe oben) wohl eine Rolle spielen.

Gutes Hören und gesundes Altern
Tiefere Einblicke in den Stand der neurobiologischen Hirnforschung gewährte Professor Martin Meyer von der Universität Zürich, wo er sich mit der „Plastizitäts- und Lernforschung des gesunden Alterns“ beschäftigt. Er stellte fest: „Gutes Hören ist ein Schlüssel für gesundes Altern.“ Einsamkeit stelle im Alter das „größte Krankheitsrisiko“ dar, und Einsamkeit wachse bei zunehmendem Hörverlust. Meyer sprach von einem „Teufelskreis“: Hörverlust macht einsam, Einsamkeit macht krank und beschleunigst die Demenz, Krankheiten beschleunigen den Hörverlust…



Pro audito-Geschäftsführerin Andrea Gerfin konnte weit mehr als 200 Teilnehmer des Forums in der Fachhochschule Nordwestschweiz begrüßen. Die Hochschule habe man als Veranstaltungsort „wegen ihrer modernen Atmosphäre und ihres jugendlichen Spirits“ gewählt. Das passte, denn in der Tat: Auch die Selbstdarstellung des schweizerischen Verbandes atmet Modernität und Zuversicht.


Auf Andrea Gerfins Eingangsfrage, wer eine Gebärdendolmetschung benötige, hob übrigens nur ein Teilnehmer den Arm. Ihm wurde sodann eine Exklusiv-Dolmetschung zuteil. Allen anderen halfen Schriftdolmetscher und Induktionsschleife. Viele Teilnehmer nahmen ein Exemplar der aktuellen Ausgabe der Schnecke mit.



Ein MRT für CI-Träger?
Von Interesse auch für CI-Träger in Deutschland dürfte eine Grafik sein, die Christof Röösli vorstellte. Sie zeigt, welche Cochlea Implantate eine Magnetresonanztomographie (MRT) zulassen und unter welchen Bedingungen. Großes Interesse zeigte die pro audito-Geschäftsführung am Dialog zwischen der DCIG und dem deutschen Berufsverband der Radiologen (siehe Schnecke Nr. 97).

Text und Fotos: Schnecke/uk


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