MRT bei Cochlea Implantaten

Was ist ein MRT?
Magnetresonanz-Tomographie (MRT oder MR) ist ein Bildgebungsverfahren, bei dem mit sehr starken Magnetfeldern Schnittbilder des Körpers erzeugt werden. Diese Magnetfelder sind für den Laien unvorstellbar stark. Bürostühle und nicht gesicherte Feuerlöscher würden durch den Raum fliegen, etc. MRT ist eine wunderbare Technik, die viele unnötige Operationen ersparen kann und durch die viele Diagnosen überhaupt erst möglich werden.

Probleme bei Implantaten
Alle Implantate, die ferromagnetisch sind, werden vom MR-Magneten angezogen. (Ferrum ist lateinisch für: Eisen.) Im Fall eines Cochlea Implantates ist das eigentliche Implantat diesbezüglich kein Problem. Dies hat in der Regel eine Titan- oder Keramikkapsel. Titan und Keramik sind nicht ferromagnetisch. Das Problem ist der Haltemagnet im Implantat, der die Sendespule festhält. Im MRT zieht der MR-Magnet mit einer Kraft von u.U. mehreren Kilogramm an diesem Magneten.
Ein Problem besteht auch bezüglich der Bildqualität: Der Magnet (und in geringerem Ausmaß auch die Titankapsel) wird das MR-Bild in seiner unmittelbaren Nachbarschaft stören bzw. – je nach MR-Sequenz und Fragestellung – praktisch unbrauchbar machen. Dies spielt aber nur bei MR-Untersuchungen des Kopfes eine Rolle.

Weitere Probleme, die beim CI aber nicht relevant sind:
Prinzipiell könnten das magnetische Feld und die Wechselströme bei der MR-Untersuchung im Implantat Ströme induzieren. Beim CI ist das nicht beobachtet worden, bei Implantaten mit sehr langen Zuleitungselektroden (Hirnstimulatoren, Herzschrittmachern) muss diese Möglichkeit aber beachtet werden. Außerdem wäre eine Erwärmung des Implantates möglich. Auch dies ist beim CI kein relevantes Problem.

Risiken bei einer MR-Untersuchung mit Cochlea Implantaten
Aus oben Gesagtem ergibt sich, dass die Probleme von Cochlea Implantaten im MR fast ausschließlich mit dem Magneten des Implantates zusammenhängen. Es gibt Implantattypen, bei denen der Magnet herausnehmbar ist (z.B. Cochlear, Advanced Bionics, Oticon, neuere Med-el-Generationen – allerdings ist zum „Ausbau“ eine kleine Operation in Lokalanästhesie notwendig) und solche, bei denen er fest verbaut ist (z.B. ältere Advanced Bionics- und Med-el-Implantate). Bei ersteren könnte es durch die Magnetkräfte dazu kommen, dass der Magnet aus seiner Verankerung im Implantat herausgezogen wird. Es wirken vor allem starke Drehkräfte auf den Magneten. Bei fest verbautem Magneten könnte dieser prinzipiell aus dem Implantat gerissen werden, was u.U. das Implantat faktisch zerstören würde. Außerdem könnte das Implantat in Gänze verschoben werden, u.U. die Elektrode aus der Hörschnecke heraus gezogen werden (unwahrscheinlich und nur nach kürzlicher OP zu erwarten; die Bindegewebskapsel, die das CI umhüllt, ist normalerweise sehr straff).
Ein prinzipiell mögliches Risiko ist auch: Der CI-Magnet könnte entmagnetisiert werden. In diesen Fällen würde eine Magnet-Austausch-Operation notwendig sein, oder – im Falle fest verbauter Magneten – eine komplette CI-Austausch-Operation.
Vereinzelt fordern Zulassungsvorschriften eine Mindest-Knochendicke unter dem CI. Zwar wird das Bett des eigentlichen Implantates bei CI-Operationen oft bis auf die Hirnhaut aufgefräst (resultierende Knochendicke dann Null), der Bereich, in dem die Antenne und der Magnet liegen, wird aber in der Regel überhaupt nicht gefräst, hier liegt das Implantat dem intakten Knochen auf (Ausnahme: Die älteren Keramik-Implantate). Mit einem CT (evtl. auch mit dem vor der OP angefertigten CT) lässt sich die Knochendicke daher gut abschätzen.

Wie kann man diese Probleme lösen?
Alle CI-Firmen haben Handlungsanweisungen für die Durchführung von MRT-Untersuchungen. Diese können bei den Firmen abgerufen werden. Man sollte sich immer die aktuelle Version besorgen, weil auch die Technik der MRT-Geräte sich weiterentwickelt. Dabei geht es nicht nur um die Feldstärke des MRT-Gerätes (standardmäßig 1,5 Tesla), sondern auch um weitere Parameter – und unter Umständen geht es dann auch nicht nur um die Problematik mit dem CI-Magneten. Im Jahre 2009 z.B. hatten wegen einer Passage in den Zulassungsvorschriften alle Implantate außer denen von Cochlear vorübergehend die MR-Zulassung verloren. Wohlgemerkt: Es lag keinerlei technisches Problem der Implantate vor und die MRT wäre wahrscheinlich problemlos gewesen. Das Problem war damals (Auskunft einer betroffenen Firma), dass die Zulassungs-Untersuchungen seinerzeit stellvertretend an einem MR-Gerät namens Siemens Vision 1,5T durchgeführt wurden. Man nahm dabei die bei diesem Gerät minimal möglichen Parameter als Bezugswerte und schrieb sie fest als Kriterium für die MR-Untersuchung. Die Technik ging aber weiter und Siemens stellte seine Sequenzkonzepte und Plattformen um. Dadurch wurde die ganze CI-Szene kalt erwischt: Es war damals nicht möglich, die alten Vorgaben an der neuen Technik nachzuvollziehen.

Weder Siemens noch General Electric waren in der Lage, Auskunft zu geben, welche der damals aktuellen MR-Sequenzen die alten Parameter erfüllten. Umfangreiche Untersuchungen der CI-Hersteller mit den neuen MR-Generationen und Neuzulassungen waren die Folge. Cochlear hatte damals einfach Glück, weil sie ein anderes Zulassungsprotokoll benutzten, dessen Parameter auch mit der neuen MR-Technik nachvollzogen werden konnten.Diese Episode zeigt:  Man sollte sich immer beim jeweiligen Hersteller die aktuellen Handlungsanweisungen besorgen. Eine frühere MR-Zulassung muss nicht zwingend bedeuten, dass das MR auch mit aktuellen Geräten problemlos möglich ist. Die Firmen wissen das – und deren Handlungsanweisungen geben dem Radiologen die notwendigen detaillierten Informationen.

Man sollte sich auch bei der implantierenden Klinik den Typ des jeweiligen Implantates genau nennen lassen. Es gibt einzelne Implantattypen (in der Regel älterer Generationen), bei denen MR-Untersuchungen grundsätzlich verboten sind.

Bei eingesetztem Magneten (Ausnahme: Die neuen Med-el Synchrony-Implantate) ist auf jeden Fall ein straffes Wickeln des Kopfes notwendig, um den Magneten in Position zu halten. Der Bereich, unter dem sich der Magnet befindet, muss dabei mit einem harten Gegenstand unterlegt werden. Dies kann ein kleines Sperrholzbrettchen sein, ein mehrfach gefalteter Papierbogen oder feste Klebmasse (BluTackR, im Bastelgeschäft und bei amazon erhältlich). Der Patient wird aber in der Regel trotzdem spüren, wie der MR-Tomograph am Magneten „zieht“ – das muss ihm vorher mitgeteilt werden, damit er keine Angst bekommt.

Med-ell hat unlängst ein besonderes Prinzip vorgestellt: Im Synchrony Cochlea Implantat ist das Magnetfeld des Haltemagneten diametral ausgerichtet, außerdem ist der der Haltemagnet in einem hermetisch verschlossenen Gehäuse drehbar gelagert.  Dadurch kann er sich im statischen Magnetfeld des MRTs entlang der Feldlinien ausrichten und es entsteht keine Kraftwirkung. Diese Implantate sind – auch ohne Kopfbandage und auch mit eingesetztem Magneten – bis 3 Tesla freigegeben. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand spüren die Patienten auch keine Zugwirkung während der MR-Untersuchung.

Prinzipiell möglich ist eine Magnetverschiebung/Implantatbeschädigung bei Cochlea Implantaten dennoch trotz aller Sorgfalt.  Keine medizinische Maßnahme ist ohne Risiko. Man wird niemals ein MRT nur zum Vergnügen machen. Der Nutzen der MRT-Untersuchung muss für den CI-Patienten in einem angemessenen Verhältnis stehen zum Risiko der Untersuchung.

Wenn möglichst störungsfreie Bilder notwendig sind (d.h.: Bei MR-Untersuchungen des Kopfes) dann kann bei vielen CI-Fabrikaten der Magnet operativ entfernt werden. Dies ist normalerweise in lokaler Betäubung möglich, durch einen kleinen Schnitt an der Implantat-Oberkante. In der Regel wird dies in der implantierenden Klinik durchgeführt: OP Entnahme des Magneten unter streng sterilen Bedingungen – Wundnaht + steriler Verband – dann direkt MRT in der Klinik selbst – danach, direkt im Anschluss, im OP der Klinik, unter erneut strenger Sterilität, Re-Implantation des Magneten.

Natürlich könnte man die Frage stellen, weshalb nicht grundsätzlich alle MRT-Untersuchungen an der implantierenden Klinik erfolgen können. Der Grund liegt in der Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung in Deutschland: Außer bei Privatpatienten darf eine Klinik ambulante Patienten nur auf Zuweisung oder in Notfällen behandeln. Radiologische Klinik-Abteilungen haben in der Regel keine entsprechende Ermächtigung. Sie dürfen also nur dann tätig werden, wenn der Patient stationär aufgenommen wird. Im Falle einer Magnetexplantation wird das problemlos möglich sein. Wird aber kein operativer Eingriff vorgenommen, sondern nur eine MRT durchgeführt, dann wird in aller Regel der Medizinische Dienst der Krankenkassen von der Klinik die Vergütung zurückfordern – die Klinik hat in diesem Fall umsonst gearbeitet. Das alles ist ärgerliche Bürokratie auf dem Rücken der Patienten – aber leider geltende Gesetzeslage.

Warum gibt es trotz vorliegender Handlungsanweisung Ärger beim Radiologen?
Der Radiologe hat nichts davon, wenn er das MR auf eigenes Risiko macht. Seine Leistung und sein Risiko werden nicht extra vergütet. Wenn alles gut geht, dann bekommt er nichts dafür. Wenn es schief geht, dann trägt er das Risiko allen Ärgers, der damit verbunden sein kann (Zivilklagen und evtl. sogar Strafanzeigen, Probleme mit der Haftpflicht-Versicherung,…).  Deshalb ist es verständlich, wenn Radiologiepraxen zunächst ablehnend reagieren. Problemlos wird es nur laufen, wenn das implantierende Zentrum mit dem jeweiligen Radiologen einen vertrauensvollen Kontakt aufbaut: Der Radiologe muss einerseits verlässliche Informationen bekommen, wie er die Untersuchung durchzuführen hat – und er muss sich darauf verlassen können, dass das Zentrum im Schadensfall hinter ihm stehen wird. Dem Patienten muss andererseits klar sein: Es besteht ein Restrisiko – und dieses Restrisiko trägt er als Patient selbst. Er muss eine entsprechende Aufklärung unterschreiben, die sinnvoller Weise das implantierende Zentrum zur Verfügung stellt.

Ablauf einer ambulanten MR-Untersuchung am Beispiel der Fa. Cochlear:
Es gibt von Cochlear (Stand 2012) ein vierseitiges PDF-Dokument („Hinweise für Radiologen“), in dem detailliert aufgeführt ist, welche Implantate mit welchen MR-Parametern auf welche Weise untersucht werden dürfen. Dieses Dokument muss dem Radiologen vorgelegt werden.

Die implantierende Klinik liefert detaillierte Informationen zu dem Implantat (Typbezeichnung, …) und über evtl. Besonderheiten bei der CI-Operation und gibt in Rücksprache mit dem Radiologen die Untersuchung ausdrücklich frei. Dem Radiologen wird idealerweise von der Klinik eine Patientenaufklärung zur Verfügung gestellt.

Der Radiologe führt die gewünschte Untersuchung nach Patientenaufklärung streng nach Handlungsanweisung der Implantatfirma durch.

Die hier erwähnte Handlungsanweisung der Fa. Cochlear ist nur als Beispiel zu verstehen. Die Mitbewerber haben ebenfalls solche Dokumente. Teilweise weichen die MR-Vorgehensweisen voneinander ab. So gibt es Firmen, die darauf bestehen, dass sie selbst das Implantat für die MR-Untersuchung frei geben. In allen Fällen aber gilt: Der erste Schritt ist die Kontaktaufnahme mit dem betreffenden Cochlea-Implantat-Hersteller – am besten auf dem Wege über das implantierende Zentrum.

Last & Least …
In meiner langen Zeit an der MHH in Hannover ist es mir wiederholt begegnet, dass CI-Patienten bei Notfällen einer MR-Untersuchung unterzogen wurden – ohne Kenntnis, dass sich in deren Kopf ein Implantat befindet. Dementsprechend wurde der Kopf nicht bandagiert und der Magnet dislozierte. In der Regel war ein operatives Wiedereinsetzen des Magneten notwendig. In einem Fall allerdings drückte ein beherzter DHZ-Ingenieur einfach auf den dislozierten Magneten (dieser hatte sich durch das MR-Magnetfeld senkrecht aufgestellt und war durch die Haut hindurch gut tastbar).  Der Magnet kippte dadurch zurück und „flutschte“ wieder in seine Halterung im CI, eine Operation war nicht mehr notwendig. Wenn „es“ trotz aller Vorsichtsmaßnahmen also mal passiert, dann kann dieses Manöver durchaus versucht werden.


Dr.Jürgen Neuburger
Teamleiter Cochlea Implantate
Klinik für HNO-Heilkunde,
Kopf- und Halschirurgie, plastische Gesichtschirurgie
Dir.: Prof.Dr.W.Heppt
Städtisches Klinikum Karlsruhe
Moltkestraße 90
76133 Karlsruhe


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