01. Juni 2017

Aufbruch zu einer neuen Kommunikationskultur zwischen Laien und Experten

Am 26. Mai 2017 haben Vertreter der mitteldeutschen CI-Zentren sich per Unterschrift zur Einhaltung der „Empfehlungen für ein gemeinsames Beratungskonzept in der CI-Versorgung in Mitteldeutschland“ verpflichtet.

„Im Umgang aller mit der CI-Versorgung Befassten stets ein respektvolles Miteinander zu wahren, Missverständnisse zu reduzieren und eine Kommunikationskultur zu pflegen, die auch in Problemfällen durch Offenheit und gemeinsame Lösungsorientierung gekennzeichnet ist“: das zu gewährleisten ist Zweck der hier erstmals veröffentlichten „Empfehlungen für ein gemeinsames Beratungskonzept in der CI-Versorgung in Mitteldeutschland“. Am 26. Mai 2017 haben Vertreter der mitteldeutschen CI-Zentren sich per Unterschrift zur Einhaltung dieser Empfehlungen verpflichtet.

Hier geht es zu den Infos zum HNO Kongress in Erfurt

Erstmals wurden gemeinsam von CI-Fachleuten und dem Betroffenenverband CIV Mitteldeutschland Empfehlungen für ein umfassendes Beratungskonzept erarbeitet.

Infos zu den CI-Botschaftern der DCIG gibt es hier

Während der dreijährigen Arbeit an dem Papier ist, moderiert vom CIV Mitteldeutschland, ein Netzwerk entstanden, das ein Fortschreiben des Konzepts auf der Basis von Erfahrungen ermöglicht. Im übrigen begrüßen es die Erstunterzeichnenden ausdrücklich, wenn weitere Institutionen diese Empfehlungen ebenfalls unterzeichnen. Dies ist der Text:

Empfehlungen für ein gemeinsames Beratungskonzept in der CI-Versorgung in Mitteldeutschland

Präambel
Die unterzeichnenden an der Cochlea-Implantat (CI)-Versorgung in Mitteldeutschland beteiligten Einrichtungen achten die jeweilige Erfahrungs- und Lebenswelt der Betroffenen. Sie suchen die Kommunikation auf Augenhöhe und signalisieren
Offenheit, Dialogbereitschaft und Respekt in allen Phasen der CI-Versorgung. Sie verstehen sich als Partner der Betroffenen mit ihren Bezugspersonen auf ihrem Weg zum größtmöglichen Nutzen des CI. Die Empfehlungen verstehen sich im
Einklang mit der AWMF-Leitlinie 017-071 „Cochlea-Implantat Versorgung und zentral-auditorische Implantate“ in der Version 05 / 2012. Sie stellen ausdrücklich keine Prozessempfehlungen dar.

Beratungsempfehlungen Präoperative Phase
Die präoperative Phase im Sinne dieser Empfehlung umfasst den Zeitraum von der Erstvorstellung in der Einrichtung über die Differentialdiagnostik bis zum Therapieentscheid für oder gegen ein CI und ggf. Planung der CI-Operation.

1. Kommunikation des Versorgungsprozesses im Detail
a | schrittweise Erläuterung des gesamten Versorgungsablaufs,
z.B. anhand eines Zeitstrahls, Setzen von zeitlichen Landmarken:
→ präoperative Differentialdiagnostik
→ Auswertung und Therapieentscheidung
→ Operation mit stationärer Aufnahme
→ Erstanpassung mit stationärer Aufnahme
→ CI-Rehabilitation
→ Ende der Rehabilitation
→ lebenslange Nachsorge
b | Detaillierte Information über die Funktionsweise von CI-Systemen
c | Erläuterung der Unterschiede, Vor- und Nachteile der Durchführungsartender CI-Versorgung (bezieht sich auf die vorstehenden Landmarken):
→ stationär
→ teilstationär (z.B. mit Unterbringung in Wohnungen)
→ ambulant (nur präoperative Diagnostik und Rehabilitation nach Erstanpassung)
d | Darstellung der lebenslangen Verantwortlichkeit der implantierenden Klinik
für Implantat und die Mitwirkungsverantwortlichkeit des CI-Trägers bzw. der Eltern eines CI-Kindes
e | Hinweise auf die Notwendigkeit regelmäßiger Verlaufskontrolle und ggf. Anpassung der Rehabilitationsprognose und des Rehabilitationsverlaufes, auch gegenüber den Bezugspersonen / Eltern
f | Hinweis auf und Erläuterung der Notwendigkeit ausführlicher Untersuchungen in allen Phasen des Versorgungsprozesses
g | Information über geplanten Ablauf des stationären Aufenthaltes zur Implantation und die Rehabilitations-Phase
h | Besprechung der zu erwartenden Ausfallzeiten im Arbeitsprozess der CI-Nutzer bzw. der Eltern
i | Bereitschaft zur Informationen und zur Klärung offener Fragen nach individuellem Bedarf
j | Bereitstellung von unterstützenden Informationsmedien

2. Unterstützung in der Entscheidungsfindung
a | detaillierte Information zu verschiedenen Funktionen verschiedener CIs, zu Herstellern und -Zubehör
b | Signalisierung der Offenheit gegenüber einer Zweitmeinung, insbesondere bei kritischen Indikationen und / oder Unsicherheit des Betroffenen: Zweitmeinungen werden ausdrücklich begrüßt, ggf. auch vermittelt (im Netzwerk der unterzeichnenden CI-Versorger in Mitteldeutschland) einschließlich Mitgabe erhobener Befunde. Hinweis an die Betroffenen /
Bezugspersonen: Es entstehen für die Betroffenen keine Nachteile.
c | transparente Kommunikation der Entscheidungen und Empfehlungen als Ergebnis einer Teamdiskussion durch eine Person (Arzt interagiert präoperativ in der Regel allein mit Betroffenen und Bezugsperson)
d | Information über Ansprechpartner innerhalb und außerhalb des Zentrums oder der Klinik (auch Selbsthilfe)

3. Reflektion der Erwartungen
a | Kommunikation und Dokumentation der wechselseitigen Erwartungen an die CI-Versorgung
b | Gemeinsame Justierung der Erwartungshaltung, ggf. gemeinsam mit den Bezugspersonen / Eltern mit den Zielen:
→ realistische Selbsteinschätzung und Erwartungen
→ Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen und des multifaktoriellen Bedingungsgefüges

4. Kommunikation der Begleitfaktoren
a | Erläuterung der Notwendigkeit und der Potentiale der Unterstützung des CI-Trägers durch Bezugspersonen / Eltern
b | Klärung des sozialen Umfeldes, ggf. Vorbereitung unterstützender Maßnahmen während des Rehabilitationsprozesses
(betrifft Erwachsene und Kinder)
c | Hinweis auf die Potentiale der Selbsthilfe und auf Wunsch Vermittlung zu lokalen Gruppen und zum Cochlea Implantat Verband Mitteldeutschland
d | Darstellung der Kooperationspartner (z.B. Frühförderung, Schulen)

Beratungsempfehlungen Postoperative Phase
Die postoperative Phase im Sinne dieser Empfehlung umfasst den Zeitraum von der Erstanpassung des CI über die CI-Rehabilitation bis hin zum Übergang zur lebenslangen Nachsorge.

1. Kommunikation des Ablaufs der postoperativen Phase
a | gemeinsames Besprechen von Aufbau, Umfang, Inhalt und Ablauf der postoperativen Phase
b | Verdeutlichung der Notwendigkeit, Folgetermine wahrzunehmen
c | Erläuterung der organisatorischen und zeitlichen Abläufe während des jeweils aktuellen Aufenthalts
d | ggf. Aufklärung über Abweichungen (z.B. Therapeutenwechsel)
e | Einführen und Trainieren der Funktionen, Bedienung und Handhabung der externen Technik, Erläuterung der Energieversorgungsoptionen, Unterstützung bei Geräteregistrierung für den Garantieanspruch, Erklärung der verschiedenen Garantieansprüche der verschiedenen Geräte

2. Zusammenarbeit während der postoperativen Phase
a | gemeinsames Vereinbaren und Fixieren von Rehabilitationszielen
b | regelmäßiger Abgleich zwischen Ziel und Ist-Stand gemeinsam mit dem CI-Träger / den Eltern und ggf. der Bezugsperson
c | Erläuterung und Diskussion von fördernden und hemmenden Faktoren sowie der Notwendigkeit und des Potentials aktiver Mitwirkung des CI-Trägers, der Eltern und ggf. der Bezugsperson
d | Erläuterung der Bedeutung der objektiv erhobenen Daten und subjektiven Angaben (z.B. Lautheitsskalierung, Hörqualität) des CI-Trägers für die CI-Anpassung
e | Erläuterung der Bedeutung der Rückmeldung durch den CI-Träger und der Bezugspersonen / Eltern für den Prozess der Rehabilitation
f | Verdeutlichung der Notwendigkeit und der Potentiale der aktiven Einbeziehung von Bezugspersonen / Eltern als kompetente Partner im Rehabilitationsprozess

3. Was geschieht bei Problemen?
a | Information über die verschiedenen Optionen bei Problemen mit dem CI
b | Information über Ansprechpartner innerhalb und außerhalb von CI-Klinik / CI-Zentrum (auch: Selbsthilfegruppen und -verbände, z.B. Cochlea Implantat Verband Mitteldeutschland)
c| Vorstellen des jeweiligen Feedbackmanagements in CI-Klinik und -Zentrum und des Ansprechpartners bei Problemen während der Rehabilitation und Nachsorge

4. Ende der postoperativen Phase – Übergang zur Nachsorge
a | Abgleich der ursprünglich angestrebten mit den erreichten Zielen gemeinsam mit dem CI-Träger, den Eltern und ggf. der Bezugsperson
b | Besprechung organisatorischer Aspekte wie etwa der Beantragung zusätzlicher Rehabilitationseinheiten
c | Information über Struktur, Inhalte und Zuständigkeit für Folgetermine der lebenslangen Nachsorge
d | Versorgung der CI-Träger mit allen Daten beim Wechsel zu einem anderen CI-Versorger, etwa aufgrund von beruflich bedingtem Umzug, alternativ (nach Ermächtigung durch den CI-Träger) direkte Übermittlung an den übernehmenden CI-Versorger

Auch das stellvertretende Vorstandsmitglied der DCIG Oliver Hupka war mit bei der Präsentation.

Prof. Dr. Dirk Eßer, HELIOS Klinikum Erfurt Klinik für Hals-, Nasen-, und Ohrenheilkunde, Plastische Operationen
Ute Feuer, Leiterin Cochlear-Implant Rehabilitationszentrum Thüringen, Gera, Erfurt
Prof. Dr. med. habil. Dr. hc. Klaus Begall, Klinik für Hals-, Nasen-, und Ohrenheilkunde, AMEOS Klinikum Halberstadt
Astrid Braun, Leiterin Cochlear-Implant-Rehabilitationszentrum, Sachsen-Anhalt, Cecilienstift Halberstadt
Prof. Dr. Torsten Rahne, Hallesches Hör- und ImplantCentrum, Universitätsklinikum Halle (Saale)
Barbara Gängler, Cochlea Implantat Verband Mitteldeutschland e.V., Halle (Saale)
Tobias Schmidt, Klinik für HNO-Heilkunde, Universitätsklinikum Jena
Prof. Dr. med. Michael Fuchs, Cochlea-Implantat-Zentrum Leipzig, Universitätsklinikum Leipzig
Prof. Dr. Jürgen Lautermann, Hörzentrum am Krankenhaus Martha-Maria, Halle (Saale), Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie


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